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Leben mit Rheuma (ein kleiner Teil davon)

Leben mit Rheuma (ein kleiner Teil davon)

Viele von Euch die mich persönlich kennen oder vielleicht sogar auf Twitter folgen, wissen bereits dass ich an Rheuma erkrankt bin. Was auch der Grund vieler Tweets ist, wenn ich mich beispielsweise über nicht funktionierende Rolltreppen aufrege. Darüber einen kleinen Eintrag zu schreiben schwirrt schon sehr lange in meinen Gedanken umher, war mir aber unsicher ob das auch irgendjemand lesen will.

Heute bin ich mutig und trau mich. 🙂 Vielleicht geht danach die/der Eine/Einer oder Andere/r mit mehr Feingefühl für die Mitmenschen durch die Welt. Ein zweiter Blick tut nicht weh und erleichtert jemand anderen ein kleine wenig das Leben.

Tja wo fange ich an. Vielleicht erst einmal damit was Rheuma eigentlich ist. Ich könnte hier Seiten über die einzelnen Krankheitsbilder schreiben. Keine Angst ich erspare euch das. Es gibt viele Arten von Rheuma und nicht alle haben etwas mit den Gelenken alter Frauen zu tun. Es bekommen eben nicht nur alte Menschen Rheuma. Im Gegenteil, es sind immer mehr die in jungen Jahren oder auch schon als Kleinkinder mit der Diagnose Rheuma durchs Leben stolpern müssen. Meine Art nennt sich chronische Polyarthritis. Das heisst ich habe mehrere Gelenke (in meinem Fall eigentlich alle) die sich durch Rheumaschübe entzünden. Mit ungefähr zwei Jahren bekamen meine Eltern diese Diagnose gestellt, die nicht wussten wieso ich oft ohne Grund vor Schmerzen weinte. Das ist jetzt fast 26 Jahre her. 26 Jahre in denen ich mich jeden Tag aus dem Bett gequält habe, ganz gleich wie groß der Schmerz war. 26 Jahre in denen ich auf Medikamente angewiesen bin, deren Langzeitnebenwirkungen ich noch zu spüren bekommen werde. 26 Jahre Rheuma und ich stehe ich immer noch. Mittlerweile sind viele Gelenke arg in Mitleidenschaft gezogen und die erste OP steht bald an. (falls ich davor nicht die Flucht ergreife)

Natürlich gab es Momente in meinem Leben die einfach nur ziemlich mies waren. Ich habe oft Wochen in einer speziellen Kinderrheumaklinik in Garmisch verbracht, die ich jedes mal aufs neue verabscheute. Die Aufenthalte waren nur dann ertragbar wenn sich einer meiner liebsten Freundinnen auch dort befunden hat. Wir teilen das gleiche Schicksal, haben uns in Garmisch kennen gelernt und sind mittlerweile über 10 Jahre befreundet.

Allerdings muss ich auch sagen, dass diese Klinik zu meiner Zeit und wahrscheinlich auch noch heute eine der wenigsten war die sich mit dieser Krankheit beschäftigte und für viele auch eine kleine Rettung darstellte. Sicherlich, ich bekam jeden Tag zahlreiche Anwendungen, konnte vormittags sogar zu Schule und die Schwestern waren bis auf wenige Ausnahmen immer sehr lieb. Dennoch war es immer ein großes Theater wenn es wieder daran ging die Koffer zu packen um nach Garmisch zu fahren. Im Nachhinein mussten meine Eltern viel Kraft aufbringen und ich bin mir ziemlich sicher, dass diese Erkrankung für meine Eltern oft schlimmer war als für mich selbst.

Ein Leben mit einer Krankheit die nicht heilbar ist und die einen immer begleiten wird, kann auch Vorteile bringen. Falls die betreffende Person kein vermaledeiter Dickschädel ist. Ich erinnere ich daran, dass ich in der Schule extra Zeit für Proben bekam, da ich oft steife Finger hatte und daher nicht so schnell schreiben konnte. Ich erinnere mich auch, dass ich diese Zeit nie in Anspruch genommen habe und wenn mir die Finger danach fast abgefallen sind. Ebenso wurde mir mehr als einmal angeboten den Aufzug des Hausmeisters zu benutzen, was viele meiner Mitschüler sehr neidisch machte, weswegen ich jeden Tag, egal wie schwer es fiel, die Treppe gelaufen bin. Was allerdings auch nichts daran änderte, dass viele meiner Klassenkameraden mir diese Hilfestellungen der Lehrer übel nahmen. Zusammengefasst: bei Gott bin ich froh diese Zeit hinter mir zu haben und ich würde sie nicht wiederholen wollen.

Nun stehe ich hier, verdiene mein Geld als med. Fachangestellte und versuche mich durchs Leben zu schlängeln und ich behaupte mal ganz frech, dass ich das ganz gut bewerkstellige. An manchen Tagen humple ich brav zu meiner U-Bahn, ignoriere das Starren der Menschen, die nicht ganz verstehen wieso eine 27jährige wie eine alte Oma daher kriecht.

Es scheint auch ein ungeschriebenes Gesetz zu sein dass wenn die Rolltreppe defekt ist auch der Aufzug nicht funktioniert und ich mich unter erneutem Starren die Treppe runterquäle. Was mich aber speziell auf die Palme bringt sind Menschen die einen bei Seite schubsen um einen Platz in der U-Bahn zu bekommen. Sicher, man sieht mir nicht an, das mir gerade hundert Messer in die Gelenk gestoßen wurden. Umso mehr macht es mich wütend wenn ich sehe wie solche Leute auch Menschen mit offensichtlichen Behinderungen behandeln. Der Rollstuhlfahrer muss ewig an der Rolltreppe warten, Menschen mit Krücken werden in der U-bahn zur Seite gedrängt und müssen stehen. Hilfsbereitschaft den Mitmenschen gegenüber ist für viele ein Wort das man erst im Wörterbuch nachschlagen muss. Wieso ist das so?

Es tut keinem weh genauer hinzusehen und ich spreche von Hinsehen nicht starren. Also, wenn ihr beim nächsten Mal jemanden in die U-Bahn humpeln seht, wäre es schön solchen Menschen nicht den Sitzplatz vor der Nase wegzuschubsen. Es tut nicht weh die Treppe zu laufen, wenn man kann. Im Gegenteil man trainiert sogar noch Bauch/Bein/Po.

Was ich eigentlich sagen will: jeder hat sein Päckchen zu tragen und ist froh wenn man sich nicht mit der Blindheit oder Ignoranz anderer herumschlagen muss. Irgendwann bist du vielleicht sogar auf solche Hilfe angewiesen und freust dich darüber wenn dir jemand seine helfende Hand reicht.